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Erbe und Armut: Ist Armut erblich, Jutta Allmendinger?

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Die Soziologin Jutta Allmendinger spricht bei “Nur eine Frage” über die vielen Formen von Armut und erklärt, warum Erben unproduktiv macht.

Jutta Allmendinger ist Deutschlands bekannteste Soziologin. Seit Jahrzehnten erforscht sie das Thema soziale Ungleichheit. Sie ist die ehemalige Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, war Direktorin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und hat viele deutsche Regierungen beraten. Heute ist sie Mitglied des Ethikrats und des Wissenschaftsrats

Im ZEIT-Podcast Nur eine Frage stellt ZEIT-Chefredakteur Jochen Wegner einfache, aber grundlegende Fragen, die viele von uns umtreiben, auf die eine klare Antwort jedoch oft schwer zu finden ist. Wir befragen die bestmögliche Expertin, den bestmöglichen Experten, den wir für das jeweilige Thema finden können. In dieser Ausgabe haben wir Jutta Allmendinger gefragt: Ist Armut erblich? 

Armut werde meist relativ gemessen und oft werde dabei nur auf das Einkommen geschaut, so Allmendinger: Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens besitzt, gilt als armutsgefährdet. Bei den Einkommen gebe es in Deutschland große Ungleichheit, noch viel ausgeprägter aber sei sie beim Vermögen. Diese Ungleichheit hemme die wirtschaftliche Dynamik, da Erben oft wenig investieren und ärmere Gruppen wenig Chancen zum Aufstieg sehen. Früher hätten Katastrophen und Kriege Ungleichheit reduziert, heute aber fehle es an politischen Maßnahmen wie einer höheren Erbschaftssteuer. Die politischen Folgen wachsender Ungleichheit bereiten Allmendinger Sorge, da sie populistische und extreme politische Kräfte stärkten. Sie fordert eine bessere Integrationspolitik und einen positiven Umgang mit Migration, denn ihr verdanke Deutschland seinen Wohlstand. 

Aber es geht nicht nur ums Geld. Jutta Allmendinger prägte erstmals den Begriff der Bildungsarmut und betont in dem Gespräch, wie wichtig eine frühkindliche Bildung ist, um Armut vorzubeugen. Hier sieht Allmendinger großen Handlungsbedarf. Das deutsche Bildungssystem berücksichtige die unterschiedlichen sozialen Hintergründe der Kinder unzureichend. Frühkindliche Bildung müsse dringend gestärkt werden, Corona habe die Ungleichheit zusätzlich verschärft. Jedes zweite Kind in Deutschland erfülle nicht das Mindestmaß der Kompetenzen beim Lesen und Rechnen. 

Doch Armut hat noch mehr Facetten: Wohnen, Gesundheit, Beziehungen, Lebenserwartung kann von Armut geprägt sein. Besondere Sorge bereitet Allmendinger die Wohnungsarmut, die insbesondere junge Menschen trifft, da Wohnraum knapp und teuer ist. Junge Generationen hätten kaum noch Möglichkeiten, Eigentum zu erwerben. 

Als weitere konkrete Maßnahmen gegen die Ungleichheit schlägt sie ein Grundstockkapital für junge Erwachsene abhängig vom Elternhaus, einen höheren Mindestlohn sowie die Reduzierung von Minijobs vor. Ein Grundeinkommen lehnt sie nicht ab, hält Bildung und Erwerbsarbeit aber für wichtiger. Der beste Weg zur Bekämpfung von Armut sei jedoch eine langfristige Investition in frühkindliche Bildung.

Produktion: Pool Artists
Redaktion: Jens Lubbadeh

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