Mehrere Sachverständige haben den Gesetzentwurf
zum neuen Wehrdienst als unzureichend kritisiert und mehr Anstrengungen
zum Erreichen der Verteidigungsfähigkeit des Landes gefordert. Der Gesetzentwurf sei “ein weiteres Dokument des Zögerns und Zauderns”, sagte der Militärhistoriker Sönke Neitzel bei der Expertenanhörung des Ausschusses. Der Entwurf setze zu sehr auf Freiwilligkeit: “Für einen raschen personellen Aufwuchs der Bundeswehr wäre die Einführung einer Auswahlwehrpflicht zwingend notwendig”, sagte Neitzel.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des
Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner. “Seit der Kabinettsbildung der heutigen Bundesregierung hat sich die
Bedrohungslage leider nicht verbessert, das Gegenteil ist der Fall – der
Handlungsdruck hat also noch mal zugenommen”, sagte er. “Wir dürfen an das Gute glauben, müssen uns
aber auf das Böse vorbereiten”, sagte er mit Blick auf die Bedrohung durch Russland.
Es sei fraglich, ob alles dafür getan werde, die
Bundeswehr “schnellstmöglich verteidigungsfähig zu machen”, fuhr er an
die Abgeordneten gerichtet fort, die sich derzeit mit dem Gesetz
befassen. Zwar unterstütze der Bundeswehrverband den Ansatz der
Freiwilligkeit, jedoch müsse bereits jetzt “ein Umschaltmechanismus” im
Wehrdienstgesetz verankert werden, sollte es nicht ausreichend
Freiwillige geben.
Der ehemalige Generalleutnant Joachim Wundrak plädierte ebenfalls für die
Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Er schlug vor, alle Männer ab dem
Jahrgang 2008 für einen dreimonatigen Grundwehrdienst einzuziehen. Für
alle, die den Kriegsdienst verweigern, könne man einen Ersatzdienst von
mindestens neun Monaten vorsehen, sagte er.
Jugendvertreter kritisieren fehlende Partizipation
Jugendvertreter mahnten
an, bei der Reform die Interessen junger Menschen einzubeziehen. Der
Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, sagte: “Motivation entsteht dadurch, dass man uns aktiv
beteiligt und Verantwortung überträgt.” Ganz viele junge
Menschen “möchten anpacken” – dabei gehe es aber beim Thema
Verteidigungsfähigkeit nicht nur um die militärische, sondern auch die
zivile Säule. “Unsere Schulen sind eine absolute
Katastrophe”, sagte Gärtner vor diesem Hintergrund und forderte mehr
Investitionen in Bildung und die mentale Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen. “Sie brauchen Leute, die resilient und belastbar sind”,
fuhr er fort.
Pistorius zuversichtlich
Verteidigungsminister Boris Pistorius
(SPD) teilte mit, es gehe darum, “im Verteidigungsfall wirklich handlungsfähig sein zu
können”. Sollte dies nicht mit einem freiwilligen Wehrdienst funktionieren, werde es Pflichtelemente geben. “Das ist aber auch kein Wunder, weil auch die Wehrpflicht als
solche könnte ja theoretisch morgen mit einfachem Gesetz wieder in Kraft
gesetzt werden”, sagte er.
Er zeigte sich zudem optimistisch, dass die Koalition in dieser Woche zu
Ergebnissen kommt. Er sei “sehr, sehr optimistisch,
weil wir uns annähern”, sagte er. Es werde eine “vernünftige Lösung”
für das neue Gesetz geben, “sowohl im Interesse der Truppe als auch im
Interesse der jungen Leute”.
Auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses,
Thomas Röwekamp (CDU), rechnet mit einer baldigen Einigung. Er gehe
davon aus, dass sich der Verteidigungsausschuss in seiner Sitzung am 3.
Dezember “abschließend” mit dem Gesetz und einer möglichen Empfehlung
befassen wird, sagte er zum Auftakt der Sitzung. Der
Bundestag könnte es dann am 5. Dezember beschließen.
Fragebogen, Musterung, Losentscheid
Derzeit dienen etwa 182.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr.
Um die Verpflichtungen gegenüber der Nato zu erfüllen, wird eine
Aufstockung auf rund 260.000 aktive Kräfte angestrebt. Hinzukommen
sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten.
Über das Wehrdienstmodernisierungsgesetz wird seit Monaten intensiv
debattiert. Es sieht vor, durch zunächst einen verpflichtenden
Fragebogen und freiwillige Musterung mehr Personal für die Bundeswehr zu
gewinnen. Ab 2025 sollen demnach alle Männer, die 18 Jahre alt werden,
den Fragebogen ausfüllen.
Die Union fordert indes Vorkehrungen für eine
Dienstpflicht, falls sich zu wenige Freiwillige melden. Ihr Vorschlag:
junge Männer per Los zur Musterung einladen und notfalls verpflichten.
Der Regierungsentwurf hingegen sieht ab 2027 eine verpflichtende
Musterung für alle jungen Männer vor, um ein vollständiges Lagebild zu
erhalten.
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