Home Home Regierungskrise in Brandenburg: Und plötzlich ist Dietmar Woidkes Koalition in Gefahr

Regierungskrise in Brandenburg: Und plötzlich ist Dietmar Woidkes Koalition in Gefahr

0
1
Eine Revolte in der BSW-Fraktion bringt die SPD-geführte Landesregierung in Brandenburg unter Druck. Das Chaos zeigt, wie fragil die Machtkonstrukte im Osten sind.

Es hätte eine gute
Woche für Dietmar Woidke werden können, für Brandenburg. Erst am heutigen Mittwoch ist der Ministerpräsident der SPD aus Großbritannien zurückgekehrt, im
Gepäck ein Abkommen mit Rolls-Royce zu Investitionen in die Werke in Dahlewitz:
Ausbau, Arbeitsplätze, Aufschwung. Woidke, der zum dritten Mal zum Regierungschef
gewählt wurde, mit dem Versprechen, nur er könne für Wohlstand, Stabilität und
Sicherheit in einem sich zunehmend AfD-blau färbendem Bundesland sorgen, wollte
den Moment genießen: Seht her, läuft doch.

Doch in der
Landesregierung läuft gerade nichts mehr – schon gar nicht sicher und stabil.
Die Tinte unter dem Rolls-Royce-Papier war noch nicht getrocknet, Woidke war
noch auf der Insel, da knallte es am Montag in Potsdam. Genauer im Bündnis
Sarah Wagenknecht (BSW) – und somit beim Koalitionspartner der bundesweit einmaligen
Landesregierung in Rot und Lila. Wagenknecht teilte mit, dass sie als Parteichefin zurücktritt, tags drauf sind vier Fraktionsmitglieder unvermittelt aus
der Partei ausgetreten. Ein Streit um das Stimmverhalten der Wagenknecht-Partei
zur Reform des Öffentlichen-Rundfunks ist in wilde Anschuldigungen gemündet, in
Misstrauensanträge gegen Fraktionsvorsitzende, in Parteiaustritte und die
Frage: Kann diese Koalition noch halten?

Innerhalb von wenigen Tagen
hat sich damit ein Konflikt, der eigentlich als geklärt galt, zu einer
veritablen Regierungskrise hochgeschaukelt. Er hat nicht nur das Potenzial, die in 16 Landesregierungen ausgehandelte Reform der Medienstaatsverträge auf den
letzten Metern zu beerdigen. Er zeigt auch auf, wie fragil die vermeintliche
Stabilität in den ostdeutschen Bundesländern ist. In Parlamenten, in denen die
AfD teils etwa ein Drittel der Stimmen hat, in denen immer gewagtere Konstrukte
gefunden werden, um an ihr vorbei regieren zu können, reicht manchmal ein
Funke, damit die Brandmauerbauten in Flammen aufgehen. Vor allem, wenn das BSW
im Spiel ist.

Die Machtprobe schwelte schon länger

In Wagenknechts
Partei in Brandenburg schwelt seit Wochen ein Machtkampf, der nun mit dem
Austritt der vier Abgeordneten aus der Partei seinen vorläufigen Höhepunkt
erreicht. Die vier jetzt Parteilosen beklagen “radikalisierte Positionen und
autoritäre Tendenzen im BSW”. Konkret geht es um die Frage, was die Partei sein
will. Eine, die seit gut einem Jahr als Juniorpartner der Woidke-SPD
pragmatisch vor sich hin regiert – ein Kurs, für den Finanzminister Robert
Crumbach und seine Ministerkollegen stehen. Oder eine, die doch viel mehr auf
Konfrontation mit dem etablierten System geht, mit der auf Konsens bedachten
Landesregierungspolitik.

Letzteres ist auch die Linie der scheidenden Chefin, die sie und ihre Getreuen
durchaus mit Härte verfolgen: Sahra Wagenknecht hat stets betont, dass sie in
den frühen Regierungsbeteiligungen des BSW in Thüringen und eben Brandenburg
die Schuld dafür sieht, dass ihre Partei bei der Bundestagswahl unter der
Fünf-Prozent-Hürde blieb. Sie wolle ihr eigenes Regierungspersonal gar nicht
kritisieren, sagte Wagenknecht erst am Montag auf einer Pressekonferenz. Aber
es sei nun mal ein Problem, dass das BSW – geboren als Partei der Systemkritik
– diese Koalitionen nicht habe “strategisch vorbereiten” können.

Interessant ist dabei, dass Wagenknecht sich in der Vergangenheit immer an
Thüringen und der dortigen BSW-Ministerin Katja Wolf abgearbeitet hatte. Für
die Brandenburger Koalition war sie hingegen voll des Lobes, auch dafür, dass
Vize-Ministerpräsident Crumbach im Sommer (mehr oder weniger) freiwillig bereit
war, den Landesvorsitz an eine Wagenknecht-Getreue abzugeben, damit das BSW
sich auch außerhalb der Regierung besser profilieren könne.

Seit Juli ist Friederike Benda die Landesvorsitzende. Gemeinsam mit dem
Fraktionschef des BSW im Landtag, Niels-Olaf Lüders arbeitet sie daran, dem BSW
ein schärferes Profil als Protestpartei zu geben, sie auf Wagenknecht-Linie zu
bringen. Dass sich der aktuelle Koalitionsstreit in Brandenburg an der Frage
entzündete, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformiert werden soll,
passt da ins Bild. Wagenknecht und ihre Anhänger kritisieren, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk “regierungskonforme Meinungsmache” betreibe.

Unter der Führung von Fraktionschef Lüders hatte die BSW-Fraktion nun, und
entgegen den früheren Beteuerungen in der Koalition, angekündigt, gegen die
Reformvorschläge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stimmen. Die sehen
Einsparungen vor, oder die Zusammenlegung von Spartensendern und Programmen. Dem
BSW gehen diese Reformen jedoch nicht
weit genug, bei der Reform des Jugendmediengesetzes moniert man staatliche
Eingriffe.

Bei einer Diskussion
im Hauptausschuss des Landtags am Montag beklagte Lüders mangelnde
Meinungsvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Medien ebenso wie eine
Benachteiligung seiner Partei in der Berichterstattung. Finanzminister Crumbach
saß, sichtlich genervt, daneben. Er hatte das Vorgehen seiner eigenen Leute bereits
zuvor öffentlich kritisiert: Er werde nicht “den Totengräber” für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk spielen.

Disclaimer : This story is auto aggregated by a computer programme and has not been created or edited by DOWNTHENEWS. Publisher: newsfeed.zeit.de