Tatjana Haenni war schon vieles in ihrem Fußballerinnenleben. 23-malige Nationalspielerin für die Schweiz, Trainerin beim SV Seebach, Präsidentin der FC Zürich Frauen, Funktionärin beim Schweizerischen Fußballverband (SFV), der Uefa und der Fifa, sportliche Direktorin der Frauenprofiliga in den USA – und jetzt also, ab dem 1. Januar, CEO bei RB Leipzig. Als erste Frau bei einem Klub in der Bundesliga.
Die Erste oder zumindest eine der Ersten zu sein, das ist die 59-jährige Schweizerin gewohnt. Sie sucht und genießt das – auch die harten Widerstände, auf die sie als Pionierin trifft. Zum Beispiel, als sie Mitte der 1990er-Jahre beim europäischen Fußballverband Uefa einstieg, als Ressortsekretärin Damenfußball und Fair Play. “Das war nicht auszuhalten”, sagte sie vor einigen Monaten in einem Interview. “Es gab Funktionäre, die null Ahnung hatten von Frauenfußball, null Interesse, aber die fanden, sie müssten mir sagen, was ich zu tun hätte, und vieles verhinderten.” Nach vier Jahren habe sie gekündigt. Diesen Sommer sagte sie in einem Gespräch mit der ZEIT: “Ich habe nichts gegen Männer, auch nicht im Frauenfußball – sie können Förderer sein und Unterstützer – solange sie sich damit auskennen und tatsächlich helfen wollen.”
Unter ihrem Landsmann Sepp Blatter war Haenni 18 Jahre lang die wichtigste Frauenfußball-Managerin bei der Fifa. Gianni Infantino wusste nichts mit ihr anzufangen, also professionalisierte sie beim Schweizer Verband SFV die Frauenabteilung. Danach zog es sie in die USA, sie wurde Direktorin bei der National Women’s Soccer League (NWSL). Im vergangenen Sommer verkündete sie überraschend: Das war’s! Sie quittierte ihren prestigeträchtigen Job in der NWSL.
Obwohl nirgendwo sonst so viel Geld in den Frauenfußball investiert wird – neue Teams müssen sich mit 100 Millionen US-Dollar in die amerikanische Liga einkaufen –, bleiben die allerbesten Spielerinnen der Welt oft lieber in Europa. “Die Qualität des Fußballs leidet unter dem fehlenden Abstiegsdruck”, sagte Haenni der ZEIT – und der Liga fehle ein funktionierender Unterbau. “Das hätte ich gerne schnell geändert, eine Nachwuchsabteilung und ein Talentförderprogramm aufgebaut. Die Ligamanager wollten sich das aber erst einmal in Ruhe überlegen, und das geht mir zu langsam voran.”
Als Fußballerin spielte sie auf verschiedenen Positionen, am liebsten im Tor, “weil man am wenigsten seckle musste”, also rennen. Karrieremäßig ging Haenni dagegen in die Offensive. Als in diesem Sommer der Schweizer Fußballverband den ehemaligen HSV- und Schalke-Sportchef Peter Knäbel zu seinem neuen Präsidenten wählte, sagte sie: “Lassen wir ihn zwei Jahre arbeiten und schauen, was er bewegt. Danach überlege ich mir das.” Sollte heißen, selbst zu kandidieren. Und gegenüber der ZEIT brachte sie sich als Chefin einer möglichen deutschen Profi-Frauenliga ins Gespräch: “Falls eine Schweizerin für die Stelle infrage kommt, würde es mich sehr interessieren.”
Warum Haenni gut zu RB Leipzig passt
Haennis Message war klar: im Frauenfußball gibt es noch viel zu tun. Die Euphorie, die im vergangenen Sommer um die Frauen-EM in der Schweiz herrschte, war für sie erst “der Anfang des Frauenfußballs als Business-Case”.
Einen neuen Ligaverband gründeten die Klubs der Frauen-Bundesliga nun ohne Haenni. Am selben Tag, als Haennis überraschender Wechsel in den Männerfußball bekannt wurde. Also in jenen Sport, über den sie einst sagte, er sei langweiliger als der Frauenfußball und an dessen Auswüchsen sie sich störte. Villen, Luxusautos, Bling-Bling-Schmuck und Playstation zocken, das ist nicht ihre Welt. Vermutlich ist es kein Zufall, dass sie bei RB Leipzig gelandet ist. Als Nachfolgerin von Oliver Mintzlaff. Seit der vor drei Jahren zur Red Bull GmbH wechselte, war der CEO-Posten bei RB Leipzig unbesetzt.
In Leipzig, befreit von einer glorreichen oder ewig erfolglosen Fußballhistorie, eingebettet in ein globales Firmenkonstrukt, lässt sich ihre Idee vom Fußball einfacher umsetzen als in einem Traditionsklub, in dem es die Altvorderen stets besser wissen – wenn man sie nur machen ließe.
“Wir erhoffen uns dadurch neuen Input und frische Impulse, damit wir für die Zukunft gerüstet sind und den steigenden Anforderungen weiterhin gewachsen bleiben”, so wird Oliver Mintzlaff in der Mitteilung des Klubs zitiert. Inputs, Impulse, Image und Marke – davon spricht auch Haenni viel und gerne. Ihr idealer Fußball ist familienfreundlich, mit jüngeren, diverseren, gebildeteren und wohlhabenderen Fans. “Das ist für Sponsoren interessant.”
Der Sport ist für sie, da ist sie durch und durch Schweizerin, in erster Linie ein Geschäft.
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